Sind psychische Belastungen in den Betrieben immer noch von Bedeutung?
Das Thema ist aus den Betrieben nicht mehr wegzudenken. Nach den Ergebnissen der WSI-Betriebsrätebefragung haben sich über 80 Prozent der Betriebsräte in jüngster Zeit damit beschäftigt. Auch die Zahl der Betriebsvereinbarungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist deutlich gestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die hohe betriebliche Relevanz des Themas ist ein Motiv, warum wir unser Instrument zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, das StressBarometer, grundlegend überarbeitet haben.
Werden die gesundheitlichen Auswirkungen psychischer Arbeitsbelastungen noch bestritten?
In den Betrieben ist es noch immer ein schwieriges Thema, obwohl die gesundheitlichen Auswirkungen psychischer Belastungen durch ein groß angelegtes Projekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mittlerweile gut belegt sind: Sie reichen von Herz-Kreislauf- oder Rückenerkrankungen bis hin zu Burnout oder Depressionen. Besonders die psychischen Erkrankungen sind wegen der mit ihnen verbundenen langen Fehlzeiten häufig in der Debatte. Sie sind zugleich auch die Hauptursache für den Bezug von Erwerbsminderungsrenten.
Das Thema Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische Erkrankungen hat immer wieder Konjunktur …
Ja, das stimmt! Immer, wenn die einzelnen Krankenkassen ihre Gesundheitsberichte oder das Bundesarbeitsministerium seinen jährlichen Bericht zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vorlegt, erschrecken alle über die dramatische Zunahme der AU-Tage infolge psychischer Störungen. Es ist aber nun wirklich höchste Zeit, die jährliche Empörung in eine wirksame Präventionsstrategie zu übersetzen. Dass es mit unverbindlichen Willensbekundungen und Gemeinsamen Erklärungen allein nicht funktioniert, ist offensichtlich.
Hat sich bei den gesetzlichen Präventionspflichten denn nichts getan?
Doch, hier haben wir durchaus Erfolge zu verzeichnen: Die novellierte Arbeitsstättenverordnung von 2016 und die neue Arbeitsstätten-Regel zur Gefährdungsbeurteilung bieten schon deutlich bessere Ansatzpunkte für betriebliche Präventionspolitik. Auch die neuen Grenzwerte gegen Lärm-Stress in der Werkhalle sowie im Büro, die eine Arbeitsstätten-Regel aus dem Jahre 2018 vorsieht, sind ein Fortschritt. Aber eine Anti-Stress-Verordnung fehlt noch immer. Ohne eine klare Rechtsgrundlage und funktionierende Aufsichtsbehörden wird die Zahl der ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilungen, die bei nur 21 Prozent liegt, kaum wesentlich erhöht werden können. Für die IG Metall ist dieser Zustand gänzlich inakzeptabel. Wir bleiben am Ball!
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